
Medikamente oder Ernährung? Ein Plädoyer für eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung
Ich erinnere mich, wie es mich als junge Frau erschüttert hat zu sehen, wie viele Medikamente meine damals 84-jährige, Parkinson kranke Großmutter täglich nehmen musste. Es sah aus wie der Inhalt einer dieser kleinen Smarties Pappschachteln – erinnert ihr euch an die?
Heute kommen regelmäßig ältere PatientInnen in meine Praxis, mit einer Medikamentenliste, die mich in ihrem Umfang sehr an die Liste meiner Großmutter erinnert. Der wesentliche Unterschied: diese KlientInnen haben weder Parkinson noch irgendeine andere schwerwiegende Krankheit. Irgendwo auf dem Weg hatten sie mal „ein bisschen Blutdruck“, „ein bisschen Cholesterin“, hier ein Stimmungsaufheller, weil die Wechseljahre vielleicht schwierig waren, da ein Schlafpulver, weil das mit dem Schlaf auch nicht mehr so ist, wie es mal war. Nicht zu vergessen die Medikamente für den Magen, weil der bei so viel Medikation gerne mal rebelliert; und natürlich was für die Verdauung, weil das mit dem Stuhlgang klappt auch schon lange nicht mehr so richtig gut.
Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich betonen, wie dankbar ich der Schulmedizin und der Forschung bin für all die wundervollen Medikamente, die täglich tausenden von Menschen das Leben retten! Meine Großmutter durfte dank dieser Medikamente fast 90 Jahre alt werden. Auch steht vollkommen außer Frage, dass schwerwiegende Krankheiten immer schulmedizinisch begleitet werden müssen.
Ein Gedanke beschäftigt mich trotzdem:
Einige Volkskrankheiten sind zu 100 % auf den Lebensstil zurückzuführen. Erhöhter Cholesterinspiegel beispielsweise ist in den meisten Fällen das Resultat einer unausgewogenen Ernährung. Diabetes Typ II ebenso. Ich spreche hier weder von angeborenen Stoffwechselkrankheiten noch von Veränderungen aufgrund beispielsweise hormoneller Umstellung. Ich spreche explizit von den Fällen, die eindeutig auf die Ernährung zurückzuführen sind – und das sind verdammt viele! Warum werden diese Patienten nicht Routine mäßig zu einer/m Ernährungsspezialisten/in geschickt? Warum gibt es in unserem Gesundheitssystem kein engmaschiges Netz, um PatientInnen zu begleiten, BEVOR schwerwiegende Folgen auftreten? Wenn ich Herzprobleme habe, bekomme ich auch eine Überweisung zum Kardiologen. Bei massiven Verdauungsstörungen wird ein Internist konsultiert. Warum ist es in unserem Gesundheitssystem nicht Standard, dass man im Fall von offensichtlich falscher Ernährung zur Ernährungsberatung geschickt wird, sondern Medikamente verschrieben bekommt?
Mit Anfang/Mitte 50 fängt es langsam an, dass man für diverse Kleinigkeiten Medikamente bekommt. Am Anfang ist das alles halb so wild und ja „nur“ gegen xyz. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle Medikamente potenziell Nebenwirkungen haben, die dann wieder mit anderen Medikamenten ausgeglichen werden. Es ist ein Teufelskreis. Ja, natürlich sollen wir auch weiterhin bei Bedarf auf Medikamente zurückgreifen! Aber es muss doch nicht immer die erste Wahl sein. Besonders, wenn man durch die Medikamente ja nicht die Ursache behebt, sondern nur Symptome bekämpft.
Ich weiß, dass viele SchulmedizinerInnen ihre PatientInnen durchaus darauf aufmerksam machen, dass sie ihre Ernährung umstellen sollten. Aber wie das geht, welche Lebensmittel zu vermeiden sind, wie man denn das bitte in den Alltag integrieren soll, da werden die Menschen leider fast immer allein gelassen. Das muss sich ändern!